Frauenpower auf dem Bau - Mappe (2024)

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10. Juni 2024

Redaktion

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Jung, weiblich und in Führungsposition: Die Stuckateurmeisterinnen Jasmin und Corina Pfeiffer haben im elterlichen Betrieb ein Wörtchen mitzureden. Ein Job, der sie fordert und fördert.

Auf der Fahrt zur Baustelle. Am Steuer: eine junge Frau, neben ihr sitzen ihre beiden Mitarbeiter. „Ist doch klar: ich fahre“, sagt Jasmin Pfeiffer selbstbewusst. „Ich trage ja auch die Verantwortung.“ Dass die Chefin blond und 26 Jahre ist, daran mussten sich die Männer erst gewöhnen. Und dass beim Stuckateurbetrieb Pfeiffer in Tettnang-Kau gleich zwei junge Frauen den Ton angeben, umso mehr. Ihre 23-jährige Schwester Corina hat nämlich vor wenigen Monaten ebenfalls die Meisterprüfung abgelegt und arbeitet auch im Familienbetrieb. Während Jasmin den Bereich Gerüstbau verantwortet, führt Corina mit Vater Lothar gemeinsam den Bereich Putz und Malerarbeiten. Insgesamt beschäftigt die Firma Pfeiffer GbR 28 Mitarbeiter, alles Männer. „Kein Problem, die folgen schon“, sagen die Mädels.

In der Ausbildung gelernt, wie frau einen Betrieb managt

Der 1959 vom Opa gegründete Stuckateurbetrieb ist in den Bereichen Gerüstbau, mit derzeit acht Mitarbeitern sowie Putz und Malerarbeiten mit 20 Mitarbeitern unterwegs. Die Schwestern haben den gleichen Ausbildungsgang absolviert. Nach dem Abitur machten beide die Ausbau-Managerin für Raum und Fassade. „Das Stuckziehen hat mir am meisten Spaß gemacht, aber auch die Oberflächentechniken“, sagt Corina. Die Ausbildung mit Meisterabschluss vermittelte auch betriebswirtschaftliches und unternehmerisches Fachwissen. Dreieinhalb Jahre Blockunterricht in Leonberg und Praxisblöcke zuhause im Wechsel. Auf die Führungsaufgaben haben sie sich gut vorbereitet. Und warum kein Unistudium? Beide lachen. Im Klartext: „Wir wollten nicht mehr auf Papas Tasche liegen und eigenes Geld verdienen.“ Das haben sie bis jetzt nicht bereut. Körperlich mit anpacken, das ist ihr Ding und die Begeisterung fürs Praktische liegt in der Familie. „Wir sind auf dem Bau groß geworden“, erzählt Corina Pfeiffer. In den Ferien wurden fleißig Gerüste geputzt, Baustellen und Lager aufgeräumt, um das Taschengeld aufzubessern. Freilich machten sie es auch dem Papa zuliebe. Heute ist Corina fürs „Finish“ zuständig. Die Feinmotorik liegt Frauen besser, sagt sie. Nachdem die Kollegen Vorarbeiten beim Innenputz ausgeführt haben, macht sie die Feinarbeiten. „Sie ist halt ein Perfektionist und macht alles genau“, sagt ihre Schwester.

Foto: privat

Jasmin kann auch mal auf den Tisch schlagen, wie sie sagt. Oder mit purer Muskelkraft und Abbruchhammer arbeiten.

26-Jährige führt Gerüstbau alleine

Jasmin Pfeiffer machte 2020 den Stuckateurmeister, sattelte 2021 den Betriebswirt drauf und machte ein Jahr später die Ausbildung zum Gerüstbauer. Seit 2022 führt sie den Gerüstbau innerhalb des Betriebs. Denn als der Onkel plötzlich verstarb, war die Frage: wer übernimmt seinen Geschäftsbereich? Schnell musste eine Lösung her. Doch es gab keinen Druck vonseiten der Familie. „Da bin ich dann irgendwie reingestolpert und habe ziemlich schnell ein Talent entwickelt“, erzählt sie. Ein Blick auf ihre Oberarme sagt alles. Jasmin Pfeiffer hat ordentlich Bizeps. „Ich baue jeden Tag die Gerüste mit meinen Jungs auf“, sagt sie. Doch das ist nicht alles. Aufmaße rechnen, Angebote und Rechnungen schreiben, auf Baustellen Präsenz zeigen, LKW und Turmkran fahren und Ansprechpartnerin für Bauherren und Mitarbeiter sein. Da ist es mit einem Acht-Stunden-Tag nicht getan. Ihren Job beschreibt sie als „Knochenarbeit“. Was da hilft: sie ist sehr ehrgeizig, was sie sich in den Kopf gesetzt hat, zieht sie durch. Disziplin ist beiden Stuckateurmeisterinnen nicht fremd. Sie waren schon als Kinder im Leistungssport aktiv. Geräteturnen, Ganzkörper-Schwünge am Stufenbarren mit Höchstleistung an Kraft, Beweglichkeit und Koordination. Ein Talent, das ihnen nun bei der körperlich anstrengenden Arbeit zugutekommt. Jasmin Pfeiffer betreut 150 bis 200 Baustellen gleichzeitig. “Von 10 m² bis 6000 m² Größe ist alles dabei“, sagt sie. Organisatorische Unterstützung per Software? „Nö“, sagt sie. „Ein bisschen Outlook, das meiste habe ich im Kopf.“ Als Lohn für ihre Arbeit kriegt sie Anerkennung. Zufriedene Bauherren, ein gutes Image, das ist viel Wert in ihrem Gewerk. Und ja. Sie kann oft nicht nein sagen. In ihrem vollen Terminkalender findet sich tatsächlich immer noch Luft, um auch ein Gerüst für die Bühne des Ortsvereins zu stellen. Ehrensache. „Die können sich hundertprozentig auf uns verlassen.“

Besser sein, das zählt im Berufsalltag

Auf die Frage, wie die Zusammenarbeit mit den Kollegen klappt, müssen beide nicht lange nachdenken. „Was ich sage, gilt“, sagt Jasmin Pfeiffer. „Man braucht als weibliche Führungskraft einen starken Charakter.“ Ihre Schwester Corina kann das nur bestätigen Den Respekt haben sie sich allerdings erst durch Fachwissen verdienen müssen. Männer lassen sich ihrer Erfahrung nach eher überzeugen, wenn sie sehen, dass frau es kann. Ein Vorteil, den sie als weibliche Chefs haben, sieht Corina darin, dass sie nicht nur Muckis, sondern auch Einfühlungsvermögen haben. Im Umgang mit der Kundschaft ein großes Plus. Jasmin nickt. „Wir müssen halt manchmal etwas geduldiger sein. Wenn man uns fachlich etwas nicht zutraut, erklären wir es halt nochmal“, sagt sie. Vor allem anfangs war es nicht leicht. Einerseits als Töchter des Familienbetriebs, andererseits mussten sie sich durchsetzen – auch bei Kollegen, die aus verschiedenen Ländern stammen, mit kulturellen Unterschieden. Letztendlich, sagt Corina Pfeiffer, gehe sie alles mit Ruhe an, das führe meist zum Erfolg. Wenn alles nach Plan läuft, wird sie einmal den Stuckateurbetrieb ihres Vaters übernehmen. In die Führungsrolle wächst sie langsam rein. Das ist auch gut so. Denn ihre Schwester sagt es klipp und klar: „Als Frau musst du zehnmal mehr beweisen, dass du es kannst.“ Da kommt das Privatleben manchmal leider zu kurz. Früher war mehr Zeit, stellen die beiden mit Blick auf ihre Freizeit fest. Dennoch geht Corina ins Fitnessstudio und Schwimmen. Ihre Schwester macht Outdoorsport und spielt Trompete. Es braucht eben viel Kraft und Puste, um sich als Chefin zu behaupten. Und familiären Zusammenhalt. Mutter Silvia macht die Verwaltung. Die Eltern sind stolz auf ihre Handwerkerinnen. Eine Führungsrolle trauen sich beide zu. „Können wir, machen wir“, sagen sie.

Christine Speckner

Dieser Beitrag erschien in der ausbau + fassade 04/2024. Mit einem Abo bekommen Sie die ausbau + fassade monatlich nach Hause gesendet.

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